Hier entsteht ein Buch

Der Unendliche

BlackSunrise Samstag, 6. Oktober 2012 No comments
Hier mal eine Story, die schon seit 'nem Jahr irgendwo auf meinem Rechner rumlungerte und auf die ich gerade per Zufall gestoßen bin. ;)



Dies ist die Geschichte des Unendlichen. Als das Universum entstand und die Zeit begann, wurde dem Nichts, das überall herrschte Leben eingehaucht. Es entstanden Planeten, Sterne und ganze Galaxien, die nur so von geballtem Lebenswillen strotzten. Und die Zeit nahm sich ihrer an. Das Leben nahm seinen Lauf. Doch in den hintersten Ecken des Universums gebar das Nichts etwas, das der Zeit gewachsen sein sollte. Etwas, das sie überdauern konnte. Etwas, das herrschen würde, wenn nichts mehr war. Den Unendlichen. Ein Geschöpf des Universums. Erschaffen aus dem Nichts, das alles umgab, mit einem Herz aus purem Leben, das niemals schlug. Bestimmt dazu alles zu überdauern, was kommen würde. Wie ein Fels in der Brandung, der Wind und Wetter trotzte.
            Der Unendliche war ein Wesen, das seines Gleichen suchte. Ohne Gefühl für Raum und Zeit, verloren in den Ären des Universums und dennoch als einziger fähig das “wo“ zu begreifen. Eine körperlose Hülle - Ein hüllenloser Körper. Der Unendliche war nicht einmal die Ahnung einer Existenz. Er verkörperte das Nichts und gleichzeitig alles andere, denn er hatte das Leben in sich. Das Leben, das ihn zu etwas machen würde. Das ihn existieren lassen würde. Und das ihn der Zeit auslieferte. Es war bittre Ironie.
            Jahrtausende vergingen wie prasselnder Regen, der stumm von dannen zieht, doch die Zeit fand kein Ende. Sie würde nicht enden. Sie war wie eine Taschenuhr. Sie tickte und tackte. Immer. Tick-Tack-Tick-Tack-Tick. Und doch hört sie irgendwann auf zu ticken. Die Zeiger bleiben stehen. Doch das Leben geht weiter. Man muss sie nur aufziehen und schon beginnt sie wieder zu ticken und tacken. Unaufhörlich. Ohne Ende. Bis in alle Ewigkeit. Und das wusste der Unendliche. Denn das Leben schafft die Zeit und die Zeit schafft das Leben. Ein ewiger Kreis. Und darüber, der Unendliche. Er war beides zugleich und doch nichts davon. In Ewigkeiten gefangen, die wie nichts vergingen. Und doch kam ein Ende – irgendwann.
            Der Unendliche vergas seine Bestimmung. Er konnte nichts überdauern, was nicht zu überdauern war. Selbst die Unendlichkeit vollbringt nichts Unmögliches. Und so stieg er hinab in die Katakomben der Zeit, wo sie thronte und unterwarf sich ihr. Als der Zeiger der Zeit ihn berührte, fing sein Herz an zu schlagen und es pumpte Leben. Das Leben, das seit Unendlichkeiten in ihm schlummerte. Das ihn jetzt zum Leben persönlich werden lies. Für den winzigsten Bruchteil eines Lidschlags spürte der Unendliche die Zeit. Wie sie das Leben in ihm in Bewegung versetzte, wie sie ihn zum Sein persönlich werden ließ und wie sie seine Existenz beendete. Denn jetzt gab es keine Unendlichkeit mehr für ihn. Der Unendliche hatte sich mit der Zeit eingelassen und bekam dafür die Quittung. Aber er bezahlte nicht alleine. Der Unendliche nahm die Zeit mit. Und mit dem ersten Ton, der je an sein Ohr drang, verging die Welt.
            Die Zeit hatte das Leben ausgelöscht und somit sich selbst. Mit einem einzigen Seufzer verschwand das Universum, als wäre es nie gewesen und das Nichts kehrte zurück an seinen Platz. Es war das Ende allem und ein Neuanfang für kommendes. Denn wie auch die Unendlichkeit nie enden kann, findet auch die Zeit nie ein Ende. Auch ohne Leben. Man muss sie nur wieder aufziehen.
            Wer weiß was mit uns passiert, wenn wir irgendwann die Zeit hinter uns lassen. Wenn wir mit dem Finger schnippen, und in dem selben Moment, der für uns zu einer Ewigkeit wird, unser ganzes Leben leben, und dennoch mit dem Klang des Schnippens, das an unser Ohr dringt aus einer längst vergangen Epoche, ein längst gelebtes Leben von neuem beginnen und nur darauf warten mit dem nächsten Schnippen in der Ewigkeit zu ertrinken, während die Zeit, die wir einst als das hinderlichste aller Naturgesetze erachteten und aushebelten, nutzlos im Nichts liegt, uns auslacht und vor sich hin vergeht, während wir vergehen und doch ewig bestehen, in dieser und allen Welten, in stiller Hoffnung auf einen Schlag unsres Herzens, der uns befreit aus der unerbittlichen Umarmung der Ewigkeit und uns heim bringt, zurück zu endlichen Tagen und endlichen Leben. Wer weiß..

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